Kurzkritik: The Descent – Abgrund des Grauens (Film, 2005)

Im Horror-Film von Neil Marshall geht es um eine Frauen-Gruppe, die zu einem großen Ausflug in die amerikanischen Berge verreist. Es soll ein Aufleben alter Freunde werden und für Sarah eine Ablenkung über ihren schweren Verlust. Doch aus der einfachen Höhlen-Expedition wird ein Ego-Trip, der in Angst, Chaos und Lebensgefahr umschwenkt.

Worum geht’s?
Ein Jahr nach dem tödlichen Autounfall im Anschluss an einen Mädelstrip, bei dem ihr Mann und ihre Tochter umkamen, trifft sich Sarah (Shauna Macdonald) mit ihren Freundinnen in den amerikanischen Appalachen wieder.Neben Juno (Natalie Mendoza) und Beth (Alex Reid) mit denen sie bereits einige dieser Touren gemacht hatte, sind die Geschwister Rebecca (Saskia Mulder) und Sam (MyAnna Buring) dabei und ein neues Mitglied namens Holly (Nora-Jane Noone). Sie treffen sich in einer Hütte und verbringen eine Nacht dort, um am frühen Morgen weiter in die Berge zu fahren. Juno übernimmt die Führung. Die Gruppe glaubt es sei eine einfache Klettertour und da alle bereits eine gewisse Erfahrung haben, wähnen sie sich in Sicherheit.
Die Tour beginnt, doch schon schnell bemerkt Sarah ungewöhnliche Dinge in den Höhlen. Da sie traumatisiert ist und Medikamente nimmt, glauben die Anderen allerdings nicht ihren Aussagen. Noch dazu ist sie es, die in einem ungewöhnlich engen Durchgang eine Panikattacke bekommt, die berechtigt wirkt, als plötzlich eine Erschütterung beginnt und der Tunnel einbricht. Als daraufhin herauskommt, dass sie in eine bisher unentdeckte Höhle von Juno gelotst wurden, ist der Frieden in der Gruppe vorerst passe. Stattdessen suchen sie verzweifelt einen Ausgang. Allmählich bricht das Gruppengefüge als Holly im Überschwang schwer verletzt wird und sie merken, dass sie nicht alleine sind. Können sie sich rechtzeitig vor dem Unbekannten retten? Und finden sie einen Ausgang?

Dichte Atmosphäre und viele Details
Besonderes Merkmal des Films ist die packende, eingeengte und visuell beeindruckende Atmosphäre. Diese wird vor allem über die Licht-Stimmung erzeugt, die sehr variantenreich daher kommt. Neben Dunkelheit, die im Untergrund nun einmal vorkommt, arbeitet man mit vielen unterschiedlichen Lichtquellen. Von Magnesium-Fackeln, Taschenlampen, Feuerzeuge über echtem Feuer ist alles vorhanden. Dank der unterschiedlichen Wärme der Lichtquellen gibt es häufig eine andere Farbe, die passend zu den Emotionen der Charaktere agiert. Als Zuschauer bekommen wir außerdem immer mal wieder den Blick durch eine Handkamera, womit eher grünliche, kalte Bilder entstehen. Dadurch kann die bedrohliche Situation im Verlauf gut eingefangen werden.

Desweiteren sind die vielen kleinen Details, sowohl auf Handlungs- als auch auf visueller Ebene besonders spannend. Einerseits hält man sich am Anfang des Filmes nicht zu sehr mit Charakterarbeit auf, packt dennoch in den wenigen Minuten so viel in die einzelnen Szenen, dass so manch eine subtile Anspielung gar untergehen kann. Etwa was die Beziehung zwischen den Charakteren angeht, die bereits in der ersten Szene durch Blicke angedeutet werden und später eine größere Rolle spielen.Andererseits werden in einzelnen Bilder oder Szenen Anspielungen auf andere Filme des Genres eingewoben. Am Anfang gibt es etwa einen Vertigo-Effekt beim Erwachen von Sarah im Krankenaus oder später kommt eine Figur bei schummriger Lichtstimmung aus einem Tümpel was Assoziationen an „Apocalypse Now“ weckt. Sicherlich sind noch viele weitere Verweise, die mir beim ersten Zuschauen bisher nicht aufgefallen sind.

Bekannte Muster – neu verpackt
Da es sich um einen Horror-Film handelt, muss man sich auf bekannte Strukturen und Charaktere einstellen. Ebenso gibt es naturgemäß einige Schreckmomente, die nicht immer besonders innovativ oder überraschend daher kommen. Allerdings schafft Neil Marshall den Spagat zwischen Gewohntem und Neuem sehr gut, obwohl selbst das Neue nicht allzu ungewöhnlich erscheint.
Alleine die Entscheidung einen Film fast ausschließlich mit Frauen zu besetzen, war zum Zeitpunkt der Produktion durchaus ungewöhnlich und progressiv. Gleichzeitig verrennt sich der Film aber nicht in überbordende Botschaften, die mit dem Holzhammer dem Zuschauer eingeprügelt werden, sondern konzentriert sich auf das Wesentliche: eine solide, gruselige Geschichte. Nebenbei bemerkt ist der inhaltliche Grund für das Fehlen von Männern durchaus schlüssig und dank der bereits angesprochenen Atmosphäre muss man sich über das Fehlen keine Gedanken machen.
Zumal das recht unverbrauchte Setting einer Höhle extrem gut dazu passt. Die Enge, das Unbekannte und die für eine Höhle erstaunlich hohe Variabilität an verschiedenen Orten innerhalb dessen das Gesamtbild sehr gut abrunden. Ich wünschte mir mehr solcher ungenutzten, spannenden Settings.

Hintergründe und Filmstab

Der britische Film dauert 99 Minuten und wurde von Christian Colson produziert. Regie und Drehbuch stammen von Neil Marshall, während Sam McCurdy die Kamera bediente. Für den Schnitt war Jon Harris zuständig. Die Musik stammt von David Julyan.
Neben unterschiedlich harten Schnittfassungen gibt es zwischen der weltweiten Fassung und jener aus den USA vor allem einen gravierenden Unterschied. Dieser betrifft das Ende, welches für die Amerikaner früher einsetzt und einen etwas versöhnlicheren Ton anschlägt. Was ungewöhnlich erscheint, besonders bei einem Horror-Film, aber wohl Standard zu dieser Zeit war. Hintergrund war, dass Filme mit Happy End mehr Geld an den Kassen einspielten, als solche ohne.

Fazit
„The Descent“ schafft es bekannte Muster neu zu verpacken und durch eine dichte Atmosphäre dank toller Lichtinszenierung bis zum Schluss zu verfangen. Frisch daher kommt die Besetzung, die sich ausschließlich auf Frauen-Figuren konzentriert und sich dabei keineswegs gewollt, sondern nachvollziehbar und logisch anfühlt. Ein überaus ansprechendes, wirksames und unverbrauchtes Setting, welches selbst nochmal variantenreich ist, rundet den Film gut ab. Neil Marshall schafft es bis ins letzte Detail Ideen zu verstecken und trotzdem einen soliden nicht zu verkopften Horror-Film abzuliefern. Dringende Sehempfehlung für alle, die mit der für das Genre daher kommenden Gewalt umgehen können.

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